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Svantevit von Nikolai M. Jakobi

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Autor   Nikolai M. Jakobi
Buchtitel   Svantevit
Genre   Historischer Roman
     
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Obwohl sie es nicht eilig hatten, trieben sie ihre Pferde zum schnellen Galopp. Das untätige Warten der letzten Tage forderte nach einem Ausgleich und so war der Ausritt bald zu einem rasanten Wettkampf geworden. Die Gedanken an die Jagd, die man für den Nachmittag geplant hatte, beflügelten den Ehrgeiz.

Der mächtige Hufschlag von zehn Pferden erschütterte den Boden und wirbelte feuchte Erde durch die Luft. Da sie auf dem festen Grund schneller vorwärts kamen, als im hohen Gras, das abseits wuchs, nutzten sie den Weg zur vollen Breite aus. Ein Ochsenkarren wurde gnadenlos abgedrängt und noch ehe die Bauern ihre derben Flüche aussprechen konnten, waren die Reiter bereits wieder verschwunden.

Christian versuchte, sich am Rand zu halten, um nicht zwischen den anderen Reitern eingekeilt zu werden. Allmählich gelang es ihm, einen kleinen Vorsprung herauszuholen und bald war er eine ganze Pferdelänge voraus. Hinter ihm trieben die Verfolger ihre Tiere mit lauten Kommandos an, die Tiere schnaubten deutlich hörbar. Wilde Flüche der Reiter bestätigten Christian, dass sich die anderen Pferde auf dem engen Weg gegenseitig behinderten. Dies erhöhte seine Chance, sich weiter abzusetzen.
Doch bald sah Christian, dass der Weg in einen Wald hineinführte. Dort würde er kaum das hohe Tempo beibehalten können, was allerdings auch für die anderen Reiter galt. Und da es dort wegen der Begrenzung durch die Bäume noch enger würde, war es wichtig, den unbedrängten Platz an der Spitze der Gruppe bis dahin zu verteidigen. Aber schon merkte er, dass links neben ihm zwei Verfolger aufholten und so trieb auch er sein Pferd weiter im vollen Galopp dem dunklen Wald entgegen.
Die Vernunft sagte Christian, das Tempo etwas zurückzunehmen. Links und rechts des Weges schienen die Baumstämme vorbeizufliegen, man wollte meinen, es sei eine dichte Palisadenwand. Nicht auszudenken, wenn das Pferd durch einen falschen Schritt vom Wege abkam. Und hoffentlich war nun hier kein Ochsenkarren unterwegs. Christian blickte nach vorne, alles schien frei.
Doch dann kam eine Biegung, die man nicht einsehen konnte. Erst dicht davor bemerkte Christian, dass es sich um eine Gabelung handelte. Er ritt auf der rechten Seite des Weges, also folgte er der rechten Abbiegung – wer vorne war, gab die Richtung vor. Doch als der Lärm hinter ihm leiser wurde, drehte er sich kurz um und merkte, dass da niemand folgte. Als er wieder nach vorne sah, erblickte er direkt vor sich einen Jungen, der wie erstarrt dastand. Immer noch im vollen Galopp würde er das Kind im nächsten Augenblick unter die Hufe bekommen, doch zum Ausweichen war es auch bereits zu spät. Also gab Christian die Zügel frei, statt an ihnen zu ziehen und wie erhofft, sprang das Pferd in einem großen Satz über den Jungen hinweg. Kaum, dass das Tier stand, schwang er sich aus dem Sattel und lief zurück. Der Junge, Christian schätzte ihn auf sieben oder acht Jahre, hatte sich zu ihm umgedreht. Er hielt ein Körbchen mit Pilzen in der Hand, an dem man erkennen konnte, dass er etwas zitterte.
"Na, das ist ja noch mal gut gegangen."
Christian beugte sich zu dem Kind hinunter und lächelte, während er ihm beruhigend über den Kopf streichelte. Ihm waren sogleich die leuchtend grünen Augen des Jungen aufgefallen, die mehr neugierig als ängstlich blickten. Um den Hals trug das Kind an einem Lederband einen tropfenförmigen Bernstein.
"Scheiße!", fluchte Christian, als seine Finger etwas Feuchtes spürten. Er besah sich den Kopf des Jungen und konnte erkennen, wie etwas Blut durch die hellblonden Haare troff. Ein Huf musste die kleine Platzwunde verursacht haben. Christian zog ein Tuch hervor und drückte es sanft auf die Verletzung.
"Ist nicht schlimm! Tut es weh? Hast wohl einen tüchtigen Schreck bekommen?"
Der Junge reagierte nicht und Christian fiel ein, dass ihn das Kind natürlich nicht verstehen konnte. Er blickte sich suchend um. Wo waren nur die anderen? Es war völlig still.
Bald war die Blutung gestillt und der rote Fleck in den hellblonden Haaren sah schlimmer aus, als es war. Christian hielt sein Pferd am Zügel und blickte abwechselnd zurück zur Weggabelung und auf den Jungen. Was sollte er bloß tun? Er musste die anderen wiederfinden. Aber der Junge schien irgendwie unter Schock zu stehen. Er konnte ihn doch nicht einfach so hier zurücklassen, auch wenn die Verletzung nur klein war.
"Wo kommst du denn hier? Wo bist du zu Hause?", fragte Christian und wies mit dem Arm im Wald herum, als würde der Junge dadurch seine Worte besser verstehen, "Wenn du hier Pilze sammeln warst, musst du doch hier irgendwo wohnen."
Der Junge blickte ihn weiter irgendwie erstaunt an und besah sich dann das Pferd, ohne sich von Fleck zu rühren. Christian bemerkte, dass das Kind nun nicht mehr zitterte.
"Wenn ich nur etwas dänisch sprechen könnte!", fluchte Christian. "Ich kann dänisch", sagte der Junge in deutschen Worten, ohne seinen Blick vom Pferd zu nehmen.
"Dann kannst du mich also verstehen", freute sich Christian und fasste das Kind bei den Schultern.
"Kann ich mal mit dir reiten?"
"Ich weiß nicht recht. Ich hab es nämlich eilig", versuchte Christian zu erklären, "Meine Freunde, weißt du, die muss ich suchen."
"Hier im Wald? Da kann ich dir helfen."
"Vielleicht ist es besser, wenn du mir sagst, wo du zu Hause bist, damit ich dich schnell dahin bringen kann. Dann darfst du dich auch auf das Pferd setzen."
Schon mühte sich der Junge, die Steigbügel zu erreichen und Christian gab ihm ein wenig Schwung. Nachdem sie beide auf dem Pferd saßen, wies der Junge in die Richtung, die Christian einschlagen sollte und zu dessen Leidwesen führte der Weg weiter von der Weggabelung weg. Nun ja, es würde schon nicht allzu lange dauern.
Bald kamen sie aus dem Wald heraus zu einer grasbewachsenen Fläche, auf der ein größeres Gehöft stand. Dahinter konnte man das Meer sehen, welches tosend gegen die steile Felswand brandete. Eine junge Frau mit rotbraunen Haaren trat aus dem Haus. Sie trug eine große Schüssel unter dem Arm und wollte gerade in einem flachen Holzbau verschwinden, als sie die Ankömmlinge bemerkte. Trotz der derben, etwas schmutzigen Kleidung und dem verschwitzten Gesicht, bemerkte Christian sogleich, wie hübsch sie war. Der Junge sprang vom Pferd und lief zu ihr. Er sprach mit der jungen Frau, wobei Christian die Worte wegen der Entfernung nicht verstehen konnte. Sie setzte die Schüssel ab und untersuchte den Kopf des Kindes.
Christian war gar nicht wohl dabei. Sein schlechtes Gewissen meldete sich und am liebsten hätte er mit seinem Pferd kehrt gemacht und wäre davongeritten. Aber zum einen hätte dies sein Gewissen kaum erleichtert und zum anderen musste er sich eingestehen, dass er nur ungern den Blick von der jungen Frau nehmen wollte.
Doch schon wurden seine Befürchtungen wahr und sie kam ihm mit deutlich verärgerter Miene entgegen.
"Was fällt dir ein, dein Pferd wie von Sinnen durch den Wald zu hetzen!", rief sie ihm zu, "Es schert dich wohl gar nicht, ob andere dabei zu Schaden kommen!"
"Nein, nein … ich wollte doch nicht … äh …"
Christian wusste nicht, was er antworten sollte. Ihn irritierten die harschen Worte etwas, immerhin dürfte ihr kaum entgangen sein, dass er ein Edelmann war.
"Ihr hohen Herren glaubt, selbst der Wald gehöre euch allein!"
Der Junge zupfte seiner Mutter am Ärmel und flüsterte ihr wieder etwas zu. Offenbar war ihm ihr Schimpfen nicht recht. Christian musste zugeben, dass er auf seinem Pferd vielleicht wirklich eine etwas überhebliche Figur abgab und stieg hinunter.
"Ich habe die Blutung mit einem Tuch gestillt. Es ist wirklich nur ein Kratzer", sagte er.
"Sag bloß, du hast ein seidenes Taschentuch geopfert. Hoffentlich hat sich dein wertvolles Pferd nichts getan. Es könnte sich den Huf am Kopf meines Sohnes verletzt haben."
"Dein Spott ist ungerecht, wenngleich ich zugeben muss, etwas leichtsinnig gewesen zu sein."
"Nun also, wenigstens zu dieser Erkenntnis bist du gelangt. Dann wollen wir dich nicht länger aufhalten. Vor kurzem schienst du es noch sehr eilig gehabt zu haben."
"Ich kann es dir ja ohnehin nicht Recht machen. Wenn ich dir Geld als kleine Wiedergutmachung anbiete, empfindest du dies als herrische Geste. Reite ich aber nur mit entschuldigenden Worten davon, gilt es dir als kalte Gefühllosigkeit."
Sie blickte ihn an und ein Lächeln flog über ihr Gesicht, was er am wenigstens erwartet hatte.
"Was also gedenkt der junge Herr in dieser ausweglosen Situation zu tun?" Der Junge zwinkerte ihm gleichsam verschwörerisch zu, als gelte es, mit einer List die schlechte Laune der Mutter zu vertreiben.
"Dein Korb ist ja ordentlich gefüllt. Wie wäre es, wenn du mir ein paar von den Pilzen …?"
Als Christian dann hinter sich Pferde herannahen hörte, drehte er sich rasch um und freute sich, seine Kameraden wiederzusehen.
"Hier hast du dich also versteckt!", rief Ronald ihm entgegen, während er von seinem Pferd sprang, "Wir haben dich wohl mit unserem Tempo abgehängt."
"Im Gegenteil! Ich war zu schnell für euch!"
"Mir scheint vielmehr, er hatte hier eine Verabredung."
"Darf man erfahren, wer die Schöne ist?" fragte Ronald, während er der jungen Frau um die Hüfte fasste.
Sie stieß ihn unsanft weg, worüber die anderen sogleich lachten. "Lass das!", sagte Christian zu Ronald.
Sie wandte sich schroff ab, nahm den Jungen bei der Hand und entfernte sich. Aus dem Haus kam ein dicker Mann mit schütterem Haar, wischte sich verschlafen über das Gesicht und blinzelte in die Sonne. Es war nicht klar, ob er gerade aus gewöhnlichem Schlaf erwacht oder betrunken war, jedenfalls hatte ihn offensichtlich der Lärm der Männer vor die Tür treten lassen.
Mit großen, forschen Schritten, die allmählich bedächtiger wurden, kam er ihnen entgegen. Er hielt einen großen Knüppel in der rechten Hand. Seine kleinen Fuchsaugen wanderten aufgeregt hin und her, als verstünde er nicht, was hier vor sich geht.
"Was ist mit den Pilzen?", rief Christian noch der Frau hinterher.
Der Mann ließ den Knüppel schließlich fallen. Ihm schien endlich aufgegangen zu sein, dass dies hier keine Räuber oder Wegelagerer waren, die seinen Hof betreten hatten, sondern es sich im Gegenteil offenbar um Edelleute handelte. Schließlich sprach er die Männer an.
"Was sagt er?", fragte Christian einen seiner Männer, der sich auf die Sprache der Dänen verstand.
"Er ist schlecht zu verstehen", antwortete dieser, "Offensichtlich ist er auch kein Einheimischer."
Schließlich wurde aber klar, dass diese so recht verschlagen wirkende Gestalt ein paar Höflichkeiten zum Besten gab. Er fragte, ob er irgendwie helfen könne und lud die Männer dann zum Essen in seine Hütte ein.
Die Männer begannen, lauthals zu lachen.
"Welchen Saufraß kann er uns schon bieten?", meinte einer von ihnen mit Blick auf die ärmliche Hütte.
"Am Ende müssen wir aus einem Trog speisen."
"Friss deine Grütze schön allein!"
"Ihr werdet doch wohl hübsch folgsam sein, wenn man euch so nett zu Tisch bittet", sagte Christian aber schließlich, "Ich habe jedenfalls unheimlich Appetit auf Pilze."
Er nickte dem Mann zu und begab sich zur Hütte, woraufhin ihm die anderen mit etwas ratlosen Mienen rasch folgten.
"Zwei von euch bleiben bei den Pferden!", ordnete Ronald an, "Es wird ja hoffentlich nicht lange dauern", fügte er leise für sich hinzu.
Die Hütte war drinnen geräumiger, als es von draußen den Anschein gemacht hatte. Offenbar war dies früher mal eine kleine Schankwirtschaft gewesen. Der große Raum wirkte ordentlich eingerichtet und sauber, was die Männer etwas beruhigte, die anfangs nicht gerade begeistert davon waren, in solch einer Bauernkate ein Mahl einzunehmen. Ihnen war immer noch nicht klar, was Christian dazu bewogen hatte. Nur Ronald, der ihn wie kein zweiter kannte, hatte eine sehr bestimmte Ahnung.
Aufgeregt wuselte der dicke Mann umher, lächelte Christian und dessen Gefolge verlegen unterwürfig zu, um hernach wiederholt wütende Brüller durchs Haus zu schicken. Diese galten offenbar der jungen Frau, die damit angetrieben werden sollte, etwas zu trinken herbeizuschaffen und anschließend das Essen zuzubereiten.
"Versteht er deutsch?", fragte Christian, nachdem er sie sacht am Handgelenk gepackt hatte.
"Er ist ein Obodrit. Dieses Stück Land hat er von den Dänen gepachtet.
Obwohl er bereits viele Jahre hier lebt, spricht er nur schlecht dänisch.
Deutsch ist ihm so unbekannt, wie es dir gute Manieren sind."
Damit entwand sie sich seinem Griff und verließ den Raum. Christian musste etwas bedeppert dreingeschaut haben, was ihm erst bewusst wurde, als er sah, wie Ronald ihn breit angrinste.
"Habe ich irgendeinen Spaß verpasst?", fragte er leicht genervt.
"Ich hoffe noch nicht", gab ihm Ronald zur vieldeutigen Antwort.
Der Junge wollte gerade etwas auf den Tisch stellen, als Christian, der ihn nicht bemerkt hatte, unversehens mit seiner Hand zur Seite langte. Ein Krug fiel und entleerte sich auf Christians Kleidung.
Der dicke Mann gab dem Kind sogleich eine schallende Ohrfeige und stieß es grob weg. Anschließend wischte er mit einem dreckigen Lappen an Christian herum, der aufgesprungen war.
"Was soll das?!", fragte Christian, während er den Mann angewidert wegschob.
Er begab sich zu der Tür, hinter welcher der Junge verschwunden war. Dort lag die Küche. In einer Ecke stand der Junge und rieb sich die Wange. Die junge Frau briet etwas über offenem Feuer. Aus einem Kessel dampfte es. "Hat er dir wehgetan?", fragte Christian den Jungen.
"Nein, nein! Ich habe den Kopf weggezogen. Ich bin doch schnell!"
"Wer ist dieser widerliche Kerl überhaupt?", wandte Christian sich an die Frau, "Doch nicht etwa dein …"
Sie drehte sich um und musste lachen. Aber nicht über die Frage, sondern über Christians nasse Kleidung.
"Es ist wahr, dass das Gebräu, welches euch gereicht wurde, kaum genießbar ist. Aber man sollte sich schon etwas geschickter anstellen, wenn man es wegschüttet."
Sie wies auf eine Schüssel mit klarem Wasser.
"Natürlich ist das nicht mein Mann", antwortete sie sodann.
Sie zog Christian zu einer anderen Tür und deutete ihm, einmal zu lauschen.
"Was ist da? Ein Bär?", fragte Christian angesichts der tief brummenden Geräusche, die aus dem Nebenzimmer kamen.
"So in etwa." sagte sie, "Dort liegt sein Eheweib. Sie hat gestern noch tiefer in den Becher geschaut und schläft jetzt den Rausch aus."
"Und du?"
"Ich bin ihr Eigentum. Sie haben mich gekauft."
"Eine Sklavin?"
"Seit vielen Jahren. Ich hatte mich in der Fremde aufgehalten und bin durch eine Unachtsamkeit Sklavenhändlern in die Hände gefallen. Die wollten mich an Araber verkaufen. Aber ich war bereits schwanger und dies war von Tag zu Tag besser zu erkennen. So etwas mögen die Herren aus dem Orient nicht.
Also verkaufte man mich an einen Dänen."
"Sagtest du nicht, er sei Obodrit?"
"Zunächst war ich bei einem Dänen. Ein typischer kleiner Adliger. Dumm und herrisch. Widerlich!"
Christian musste unwillkürlich grinsen.
"Bitte entschuldige", sagte sie, als sie begriff, dass er dies hätte durchaus als Beleidigung auffassen können, "Vom ersten Tag an wollte ich jedenfalls nur eines, nämlich fort. Nach dem dritten Fluchtversuch hatte er genug und verkaufte mich wieder. Inzwischen war mein Sohn geboren.
Schließlich kamen wir irgendwann hierher, nur Wälder und Steilküste. Zu entlegen, um weglaufen zu können."
"Aber später baue ich ein Boot", flüsterte der Junge zu Christian.
"Die Bauersleute sind grob und versoffen. Sie verlangen, dass ich hart arbeite, ohne zu murren. Zuerst wollte der Bauer noch etwas mehr. Ich habe ihm schnell klar gemacht, dass ich ihm nachts die Kehle durchschneide, wenn er es wagt, mich zu berühren. Seitdem lässt er mich in Ruhe und verriegelt in der Nacht die Tür."
Sie wendete den Braten und rührte mit einem großen Holzlöffel im Kessel. Es verbreitete sich ein wohlriechender Duft.
"Ich könnte dich freikaufen", sagte Christian schließlich.
Sie blickte ihn eine Weile ernst an.
"Und welchen Preis muss ich dafür zahlen?", erwiderte sie fast vorwurfsvoll, "Soll ich mit dir ins Bett steigen? Oder mich von dem großen Kerl da draußen begrapschen lassen? Wie lange hättest du Interesse an mir?
Eine Nacht? Eine Woche?"
Sie schüttelte entschieden den Kopf.
"Und dann stehe ich plötzlich da. In Sachsen, Franken, Thüringen oder wo immer du herstammst. Mittellos, mit meinem Kind. Hier weiß ich im Moment wenigstens, was ich habe!"
Aus dem Nebenraum drangen Rufe. Sie eilte hinaus.
"Die Pilzsuppe wird bestimmt schmecken", sagte der Junge zu Christian.
"Hast du auch keinen Giftpilz dabei?"
Der Junge sah ihn etwas beleidigt an.
"Vielleicht. Aber dir geb´ ich den nicht."
"Da bin ich aber beruhigt. Wie heißt du überhaupt?"
"Ich heiße Radmar."
"Und wie heißt deine Mutter?"
Der Junge zupfte ihn am Ärmel und rasch beugte sich Christian hinunter.
"Sie heißt Kaila", flüsterte Radmar zwischen seinen an den Mund gelegten Händen.
"Das habe ich gehört", sagte Kaila, die unbemerkt wieder dazugetreten war.
Der Junge schaute verlegen und ging rasch zum Kessel, um die Suppe umzurühren. Christian wollte etwas sagen, aber mit dem Zeigefinger auf den Lippen bedeutete sie ihm zu schweigen.
"Glaubst du mir, dass ich Gedanken lesen kann? Ich weiß nämlich, was du gerade sagen wolltest."
"So?"
"Ja. Du wolltest sagen: Was für ein schöner Name!"
Christian kratzte sich kurz am Kopf.
"Nein. Ich wollte sagen: Was für ein ungewöhnlicher Name!"
Sie guckte skeptisch. "Na gut", lenkte er ein, "Ich wollte sagen: Was für ein ungewöhnlich schöner Name!"
Die Schlagfertigkeit gefiel ihr, wie ein freundliches Lächeln ihm zeigte.
"Und wie heißt du?"
"Christian", sagte er nach kurzem Zögern.
"Christian von?"
"Vom. Christian vom Freien Berg."
"Was machst du in Dänemark? Zu Besuch bei einem der vielen Vettern, Neffen oder anderen Anverwandten?"
"Ich bin im Auftrag meines Herzogs hier", sagte er mit ernster Miene, "Wir werden König Waldemar bei einem Kriegszug begleiten."
"Krieg?", wiederholte sie leise und wandte sich dann ab, um den Braten vom Feuer zu nehmen, "Deine Männer scheinen hungrig und verlangen, endlich etwas zu essen zu bekommen. Der Bauer ist auch schon ganz unruhig. Er weiß wohl nicht so recht, was er von euch halten soll."
Die Suppe und der Braten waren bald verdrückt. Des Bauern Augen wanderten flink umher, während er eilig von seinem schlechten Fusel nachschenkte. Er hoffte, seinen beunruhigenden Besuch nun bald wieder los zu sein.
Christian nippte an seinem Becher und bemerkte gar nicht, wie die anderen ihn immer wieder fragend ansahen. Man hätte doch längst wieder aufbrechen können.
Kaila stand im Stall und fütterte die Tiere, zwei Kühe und einige Schafe, als Christian hinzutrat. Sie sah ihn überrascht an.
"Ihr seid noch da? Vor kurzem schient ihr noch sehr in Eile!"
"Wir wollen jetzt aufbrechen", sagte er, während er sich etwas Heu nahm und dies einem der Schafe hinhielt, "Wenn du glauben solltest, dass mein Angebot nicht ernst gemeint war, …"
"Dein Angebot?", fragte sie, "Ach du meinst, dass ich deine Sklavin werde."
"Das habe ich nicht gesagt!", protestierte Christian, "Du wärst frei, zu tun und zu lassen, was du magst. Denk doch an den Jungen."
"Ich denke an niemanden anders! Sagtest du nicht, dass ihr in den Krieg zieht? Ich werde diesen trostlosen aber sicheren Ort doch nicht gegen solche Gefahren eintauschen. Gerade wegen meines Sohnes! Und überhaupt, dein Interesse macht mich misstrauisch."
"Krieg. Was du dir vorstellst! Es wird allenfalls ein kurzer Feldzug. Aber, wenn dir das solche Angst macht, kann ich vielleicht später noch einmal vorbeischauen. Zur Sommersonnenwende werden wir bereits wieder von Rügen zurückkehren."
"Rügen!?"
Der große Krug mit der frisch gemolkenen Milch zersprang krachend. "Was hast du? Stimmt etwas nicht?"
"Mit mir ist alles in Ordnung. Aber wenn du nicht sofort beiseite trittst, wird dein Hosensaum mit Milch getränkt."
"Zu spät!"
"Oh, wie schade um den edlen Stoff. Ich könnte es auswaschen."
"Nein, nein. Das ist nicht nötig. Ich kann doch hier nicht meine Hose …"
"Nicht hier. In eurem Lager. Du wirst doch sicher noch mehr Beinkleider besitzen."
"Im Lager?"
"Oder wo immer dein Quartier ist. Auf einer Burg?"
"Ist was passiert?", fragte Ronald, der plötzlich im kleinen Tor stand, "Was hat denn hier so laut gescheppert?"
"Nichts von Bedeutung. Sag den Männern, dass es nun weitergeht", erwiderte Christian, woraufhin Ronald sich sichtlich erleichtert abwandte, "Ach, bevor ich es vergesse, diese junge Frau und ihr Sohn werden uns begleiten. Mach dies doch bitte auch dem Bauern klar."
"Aber ich spreche doch kein …"
"Sprechen? Mach es ihm klar! Auch, dass man keine Kinder schlägt. Zeig ihm, wie weh eine Ohrfeige tut. Oder zwei, oder drei. Aber bring ihn bitte nicht um!"

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