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Das Nichts

Es ist wahrlich nicht leicht, sich über das Nichts seine Gedanken zu machen. Wie soll man auch etwas Sinnvolles über etwas schreiben, das möglicherweise gar nicht existiert?
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Es ist schon so eine Sache mit dem Nichts, so wie mit anderen Begriffen wie Ewigkeit oder Unendlichkeit: der menschliche Geist stößt hier schnell an seine Grenzen, man verliert den Boden unter den Füßen und treibt hilflos im intellektuellen Nirgendwo jenseits der Grenzen des Begreifens. Doch, obwohl wir genau wissen, dass es uns aufgrund unserer geistigen Unzulänglichkeit verwehrt ist, solche oben erwähnten Begriffe wirklich zu verstehen, versuchen wir immer wieder auf Neue, uns ihnen gedanklich anzunähern, soweit wir dazu in der Lage sind – ganz wird uns das niemals gelingen.

Seit den Zeiten der alten griechischen Philosophen bis heute geistert das Nichts in unseren Köpfen herum. Wieviele haben sich schon damit auseinander gesetzt! Aber wissen wir wirklich mehr darüber als die Menschen vor zwei- oder dreitausend Jahren? Nun, in gewisser Weise hat das Nichts auch eine geschichtliche Entwicklung durchlaufen und oft wurde es auch mit anderen Begriffen wie Leere oder Vakuum gleichgesetzt.

Ja, auch die Abwesenheit von Luft wurde schon als "Nichts" bezeichnet. Der deutsche Naturwissenschaftler Otto von Guericke (30. November 1602 bis 21. Mai 1686) führte im Jahr 1654 auf dem Reichstag zu Regensburg und später 1657 am Hof des Kurfürsten Friedrich Wilhelm seine berühmt gewordenen Experimente mit den Magdeburger Halbkugeln vor. Dabei fügte er zwei etwa 50 cm messende, kupferne Halbkugelschalen zu einer Kugel zusammen und pumpte anschließend die Luft mit einer von ihm erfundenen Kolbenpumpe heraus. Der auf die Kugel lastende Luftdruck presste die beiden Hälften so stark zusammen, dass zwei Pferdegespanne nicht imstande waren, sie voneinander zu trennen. Es gelang erst, nachdem ein Ventil geöffnet wurde und wieder Luft in die Kugel strömte. Von Guericke hatte damit nicht nur die Existenz des Luftdrucks bewiesen sondern vor allem auch die bis dahin in den Köpfen herumspukende These von "horror vacui" (der Schrecken [der Natur] vor der Leere) auf eindrucksvolle Weise widerlegt. Damals glaubte man eben noch, das Nichts sei gleichbedeutend mit Luftleere.

Der Begriff des "horror vacui" geht auf den sogenannten Plenismus zurück. Nach dieser Auffassung, die im Altertum von Plato (427 v. Chr. bis 347 v. Chr.) und Aristoteles (384 v. Chr. bis 322 v. Chr.) und in der Neuzeit von René Descartes (31. März 1596 bis 11. Februar 1650) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1. Juli 1646 bis 14. November 1716) vertreten wurde, gibt es keinen leeren Raum, d.h. die Welt ist kontinuierlich mit Materie angefüllt.

Heute würde wohl keiner mehr diese Auffassung ernsthaft vertreten und einen luftleeren, bzw. materiefreien Raum als "Nichts" bezeichnen. Und selbst wenn es gelänge, einen hundertprozentig materiefreien Raum herzustellen, der zudem auch nicht von Wellen oder Feldern durchdrungen ist, so wäre dieses Vakuum immer noch nicht leer, denn in ihm entstehen unaufhörlich Teilchen und Antiteilchen, die sich sofort wieder gegenseitig vernichten (ihre Lebensdauer ist so kurz, dass man sie nicht messen kann – daher der Name virtuelle Teilchen), die sogenannte Vakuumfluktuation. Dieses Phänomen wurde 1958 mit dem Casimir-Effekt bestätigt. Möglicherweise hängt auch die dunkle Energie mit dieser Quantenfluktuation zusammen und die Energie des Vakuums drückt den Raum auseinander.

Kann uns vielleicht die Mathematik dem Begriff des Nichts etwas näher bringen? Hat sie nicht ein Symbol dafür – die Null – oder in der Mengentheorie die leere Menge? Leider nein, denn in der Mathematik gibt es gar keine Bezeichnung für das Nichts. Die Null ist nämlich eine Zahl wie jede andere, so wie 1, 5 oder 1000 und nicht das Nichts. Und auch die leere Menge symbolisiert keineswegs das Nichts, sondern ist wie ein leerer Behälter, den man füllen kann. Wir finden also auch hier keine Antwort auf unsere Fragen.

Also bleiben uns nur noch die Religion und die Philosophie. Die antiken Völker kannten keine Schöpfung der Welt aus dem Nicht. Die Götter formten lediglich bereits seit Ewigkeiten schon vorhandenes Material um, damit sie die Welt schaffen konnten. Erst die biblischen Religionen führten den Begriff "creatio ex nihilo" (Schöpfung aus dem Nichts) ein, wonach ein Schöpfergott die Welt kraft seines Willens aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat. Die jüdische Tradition der Kabbala hat versucht, solche Begriffe wie "Nichts" oder "Unendlichkeit" dem Intellekt zugänglich zu machen. Für den Kabbalisten stellt das absolute grenzenlose Nichts, 'Ain' oder 'En' genannt, den Urzustand vor jeglichem Sein dar. Das Nichts, das Ain, wird hier weniger als das Nichtvorhandensein jeglichen Seins aufgefasst, sondern eher als ein unendlich kreatives Potential, ein Behälter des Möglichen, aus dem alles hervorgeht.

Über das Nichts läßt sich auch ein gnostischer Text der Basidilianer aus:
"Einmal, sagt Basilides, da war es so, dass nichts war. Und auch das Nichts war noch nicht da. Klar und ohne Wortspalt: es war gänzlich nichts. Wenn ich aber sage: Es war, so meine ich damit keineswegs ein Sein, sondern ich rede so, um wenigstens anzudeuten, wovon ich handeln will, dass nämlich gänzlich nichts war. Denn jenes 'Es war nichts´ ist nicht schlicht ein Unsagbares, das man eben dann so definieren könnte, sondern wir nennen es bloß unsagbar. In Wirklichkeit ist es aber nicht einmal unsagbar."

Das obige Zitat zeigt uns das Unvermögen, mit Worten ein Etwas, einen Zustand zu beschreiben, der eigentlich dem menschlichen Verstand unzugänglich und unbeschreibbar ist. Es ist schon sonderbar, wenn man vom Nichts redet, so als ob es ein Ding, ein Objekt sei. Aber das ist es eben nicht, denn die Eigenschaft des Nichts ist das Nichtsein. Das heißt wir zerbrechen uns den Kopf über etwas, das gar nicht existiert und gleichzeitig sprechen wir vom Nichts wie von einem existierenden Zustand.

Die eigentliche Frage, die hinter all den Überlegungen bezüglich des Nichts steht, ist diese: Warum existiert überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?
Nun, ein religiöser Mensch wird wahrscheinlich darauf antworten, es gibt nur deshalb etwas, weil Gott es durch seinen Willen aus nichts erschaffen hat. Wenn man aber dann nachfragt, warum denn Gott existiert, dann wird meistens ausgewichen und behauptet, Gott war eben schon immer da, was die Frage natürlich nicht beantwortet. Denn ebenso gut könnte ja auch die Welt schon ewig existieren, auch ohne einen Gott. Aber warum es überhaupt etwas gibt, ob die Welt oder Gott, das bleibt weiterhin unbeantwortet.

Man kann sich aber auch fragen, gibt es irgendetwas, das Nichts notwendigerweise auf jeden Fall existieren muss, gleichwohl wenn es auch nichts anderes gäbe? Darüber hat man sich auch schon die Köpfe zerbrochen. Manche behaupten ja, dass die Gesetze der Logik oder der Mathematik unabhängig von jeglicher Existenz gelten. Andere wiederum vertreten die Auffassung, dass Logik oder Mathematik Produkte des menschlichen Geistes sind. Das Problem um das es geht heißt also: Ist die Logik oder die Mathematik etwas, das unabhängig von allem anderen existiert (existieren muss?) und werden ihre Gesetze von uns nur im Laufe der Zeit entdeckt oder aber handelt es sich dabei um eine Schöpfung des menschlichen Geistes und wir erfinden die Spielregeln? Im letzteren Fall wären wir wieder soweit wie am Anfang und auf die Frage, warum es überhaupt etwas gibt, gäbe es immer noch keine Antwort. 

Wenn es aber so ist, dass etwas existiert – und wenn es auch nur etwas Abstraktes wie logische oder mathematische Regeln ist – immer und völlig unabhängig davon, ob es irgend etwas anderes gibt oder nicht, dann wären wir der Frage nach dem Ursprung des Seins ein gehöriges Stück nähergekommen. Vielleicht wird sich eines Tages herausstellen, dass die Nichtexistenz zu unauflösbaren Widersprüchen führt und die Welt deswegen zwangsläufig existieren muss. Das hätte dann aber auch Folgen für die Rolle Gottes, denn dann bräuchte man ihn im Grunde als Schöpfer nicht mehr. Vielleicht sind die alten Religionen der Wahrheit etwas näher gekommen, wenn sie davon ausgehen, dass die Götter die Welt aus bereits seit ewigen Zeiten vorhandenem Material lediglich geformt haben und dass über ihnen eine abstrakte Macht, das Schicksal oder die Natur steht. Mit der Allmacht Gottes wäre es dann vorbei und jede Gottheit wäre dann nur ein Teil innerhalb des Systems und auch an die Spielregeln gebunden.

Kann man sich überhaupt so etwas wie das absolute Nichts vorstellen? Nein, wir könnnen uns ihm nur annähern, es aber niemals intellektuell erreichen. Ich kann mir zur Not schon vorstellen, dass nichts existiert, kein Raum, keine Zeit, keine Materie, rein gar nichts. Aber dann wäre immer noch mein Geist, der sich diese ganze Nichtexistenz vorstellt, vorhanden. Also müsste ich mich zum Schluß noch selber wegdenken. Und selbst wenn mir das gelänge, wäre es dann für mich unmöglich, irgendetwas über den Zustand des Nichtseins zu erfahren. Das heißt,. hier liegt für unseren Verstand eine prinzipiell unüberbrückbare Grenze.

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1 Comment to “Das Nichts”

  1. test sagt:

    Test2

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