Autor | Eva Finkenstädt | |
Buchtitel | weibliche solidarität weltweit | |
Genre | Witwenrenten / Internationales Grundeinkommen | |
Blog-Link | Biografie-Amazon | |
Shop-Link | weibliche solidarität weltweit | |
Ich stelle mir vor, ich bin eine arme Frau in einem Slum. Ich lebe in einer Hütte aus Pappkartons und schlafe auf dem Erdboden. Wenn die Regenzeit kommt, werden mir die Kartons überm Kopf wegweichen, und der Boden wird sich in Schlamm verwandeln. Nun ja; aber die Regenzeit wird vorübergehen, der Boden wird wieder trocknen, und so Gott will, werde ich auch neueKartons finden.
Was mir viel mehr Sorgen macht, ist der Tag, an dem ich alt oder krank werde. Der Tag, an dem ich nicht mehr von morgens bis abends auf den Beinen sein kann, um überall nach etwas Essbarem zu suchen.
Was werde ich dann tun?
Wovon werde ich leben?
Jeden Tag breche ich bei Sonnenaufgang auf. Falls es gestern Essen gab, so ist es längst aufgegessen. Ich trinke etwas braunes Wasser und gehe los. Manchmal finde ich Essensreste in Mülltonnen. Manchmal finde ich eine Pfandflasche oder alte Zeitungen, die ich verkaufen kann. Manchmal gelingt es mir, etwas zu erbetteln. An diesen Tagen gibt es abends Essen. Eine Handvoll Getreide, eine Handvoll Hülsenfrüchte. Manchmal sogar eine Zwiebel oder ein anderes billiges Gemüse. An diesen Tagen kann ich abends essen.
An den anderen nicht.
Nun ja, so ist das.
Aber was wird sein, wenn ich krank werde?
Was wird sein, wenn ich alt bin?
Eine kleine Mahlzeit am Tag zu haben, das ist nicht schlimm. Einen Tag gar keine Mahlzeit zu haben, ist auch nicht wirklich tragisch. Aber alt zu werden, ohne jemanden zu haben, der einen versorgt? Krank zu sein, vielleicht wochenlang, das heißt in meiner Kartonhütte auf dem Erdboden liegen und langsam verhungern. Nun, vielleicht werde ich ja nicht krank. Aber ganz sicher werde ich alt, wenn ich nicht vorher gestorben bin. Ganz sicher werde ich schwächer und schwächer; und es ist ein Kampf dort draußen auf den Straßen! So viele junge Menschen sind unterwegs, und sie sind schnell, und entschlossen, und kräftig. Manchmal schließen sie sich sogar zusammen. Da muss ich in meinen mittleren Jahren mich schon am Rand entlang bewegen und vorsichtig sein. Als alte Frau, selbst wenn ich noch auf den Beinen bin, werde ich keine Chance haben.
Es gibt nur eine einzige Lösung gegen diese Furcht: Ich muss Kinder haben. Ich muss so viele Kinder haben wie möglich. Je mehr Kinder ich habe, desto größer ist meine Hoffnung, dass eines davon mich wird ernähren können, oder alle zusammen, dass ich im Alter versorgt bin.
Und nun stellen Sie sich vor, dass plötzlich eine wohltätige Organisation daherkommt, am Rande meines Slums eine Schule baut und damit anfängt, Kinder auszusuchen, die diese Schule besuchen werden. Kostenlos können ein paar Kinder dort lernen, sie können dort sogar essen und vielleicht, wenn sie geschickt sind, abends etwas mit heimbringen. Und anschließend wird diese Schule auch noch dafür sorgen, dass die Kinder richtige, feste Arbeitsstellen bekommen und ein Gehalt beziehen, das für mich einen unvorstellbaren Reichtum bedeutet.
Ja, da werde ich doch erst recht versuchen, so viele Kinder zu bekommen, wie ich nur kann! Dann ist meine einzige Chance auf ein Alter ohne Hunger und Not doch in richtig greifbare Nähe gerückt. Dann wäre doch jede dumm, jede Frau im Slum, die nicht versuchen würde, so viele Kugeln wie möglich in der großen Lostrommel des Lebens zu haben. Wir haben keine Alternative, wissen Sie. Wir müssen so handeln. Und wir wissen ja noch nicht, dass die meisten dieser Kinder später nichts mehr von ihrer armen Herkunft werden hören wollen.
Falls Sie Leseproben zur Verfügung stellen wollen: "Leseprobe einreichen"
Keine Erotik-Literatur